Heute - am 27.04.2016 - fingen unsere Projekttage an der Schule an.
Wir waren alle schon Wochen vorher gespannt mit was für einem Thema wir
uns drei Tage beschäftigen sollten. Es war und ist immer noch ein Thema,
das die Medien beherrscht und dominiert. Flüchtlinge.
Ein schwieriges und zugleich interessantes Thema. Viele Gruppen
entschieden sich dazu, traditionelles Essen aus Krisengebieten zu kochen
und zu verkaufen, um den Erlös zu spenden. Unsere Gruppe dachte etwas
anders. Wir wollten auch etwas spenden - keine Frage, helfen wollten wir
alle -, aber auch unserer neugierigen Seite nachgehen und uns direkt
mit Flüchtlingen auseinandersetzen. Also
fragten wir, bzw. unsere zuständige Lehrerin bei einigen Anlaufstationen
nach, ob es nicht einige Flüchtlinge gäbe, die Lust und Zeit
hätten, sich mit uns Schülern zu beschäftigen. Bei den ersten Versuchen
gab es leider keinen Erfolg, doch dann bekamen wir eine positive Rückmeldung. Es
fanden sich sechs Flüchtlinge, die sich bereit erklärten.
So verlief
unser erster Tag mit ihnen:
9:30 Uhr
Eigentlich sollten die sechs Personen um 9:00Uhr längst da sein, das war uns
gesagt worden. Wir wurden dadurch noch hibbeliger und aufgeregter, als wir eh
schon waren. Dann öffnete sich die Tür. Die sechs betraten zusammen mit zwei
Begleitern unseren Klassenraum. Es wurde sofort sehr leise.
Wir waren nun 30 Personen in einem Raum und unschlüssig darüber, wie man sich am besten verhält und
begrüßt. Am Anfang dachte ich: "Oh
man, ob das gut geht in diesen drei Tagen?" Völlig unterschiedliche Kulturen und
Personen trafen in einem Gymnasium aufeinander. Dann machte unsere
Lehrerin den Anfang und begann, unser Gäste auf englisch zu begrüßen.
Die sechs Gäste stellten sich nun der Reihe nach auf deutsch vor. Sie kamen aus den Ländern Syrien,
Ghana, Ägypten, Eritrea und Mazedonien - sechs Menschen aus fünf
unterschiedlichen Ländern.
10:00 Uhr
Man hört ein regelrechtes Durcheinander an Fragen. Sowohl auf Englisch als auch auf Deutsch.
An unserer Tischgruppe waren wir zu sechst, fünf Schülerinnen und Schüler und ein Syrer.
Als
erstes fragten wir nach seinem Namen. "Ich heiße Sabri.", antwortet er auf
Deutsch. Er sei schon länger hier, sagte er weiter, und wolle sein
Abitur nachholen.
Wir waren baff.
Abitur? In Syrien? Wir fragten nach. "Ich habe die 11. Klasse beendet,
bevor ich in den Libanon floh.", erklärte der sympathisch wirkende
Sabri, "sonst hätte ich da mein Abitur gemacht." "Was hast du im Libanon
gemacht?", kam die Frage auf. Sabri hat dort sowohl für DCR als Animateur
für Kinder als auch bei "Safe the children" gearbeitet. "Was genau hast du
bei "Safe the children" gemacht?" "Wir haben Kinder über sexuelle
Gesundheit aufgeklärt.", erzählte er uns. Später erfuhren wir, dass man in
Syrien als Mädchen und Jungen bis zur 7. Klasse gemeinsam lernt, dann
aber bis zum Abschluss getrennt unterrichtet wird. "Gibt es eine
Schulpflicht?" "Ja, die gibt es. Bis zur 9. Klasse muss man zur Schule gehen, danach
ist es jedem freigestellt, ob man weiter macht oder nicht." "Und nach
deinem Abitur? Was möchtest du dann machen?" Sabri würde gerne eine
Ausbildung als Informatiker machen, um, wenn er anfängt zu
arbeiten, dem Staat das Geld, was er momentan bekommt, zurückzugeben.
Auch
fragten wir, ob er alleine hier sei oder mit seiner Familie. Er sei mit
seinen drei Schwestern und seinen beiden Eltern hier. Seine Mutter hat er
zwischendurch angerufen, um bei einigen Rezepten, die wir kochen wollen,
nachzufragen.
In mir kam eine Frage auf, die vielleicht
zu Problemen führen konnte. Ich stellte sie auf gut Glück mit der
passenden Entschuldigung im Kopf, falls ich eventuell eine empfindliche
Stelle treffen sollte. "Möchtest du irgendwann zurück nach Syrien
in deine Heimatstadt?" Zögerlich fing Sabri an und ich wollte mich schon
fast entschuldigen, da begann er zu reden. "Es ist schwierig, das zu
beantworten. Aber wenn ich zurück gehen sollte, was habe ich dann dort?
Nichts. Keine Ausbildung, kein Haus, keinen Schulabschluss. Ich müsste
noch einmal ganz von vorne beginnen."
Das war
nachvollziehbar. Hier lernt er seit Monaten Deutsch, besucht die Schule
für sein Abitur und hat sich sogar schon beworben. Da wäre ein Rückgang
in die Heimat ein Rückschritt von 20 Schritten in seine hoffentlich gute
Zukunft. Apropos Deutsch lernen. "Man hört ja von einigen, es sei schwierig
deutsch zu lernen.Wie denkst du darüber?", fragten wir. Deutsch sei
sicher schwieriger als einige andere Sprachen, aber mit der nötigen
Disziplin und Lernbereitschaft schafft man es, antwortete Sabri uns in
gutem Deutsch. Er hat mit Geduld und Zeit das Sprachniveau C1
geschafft. C2 ist das nächsthöhere Sprachniveau. Am Ende unseres kleinen Interviews fragten wir
noch, was schwieriger oder fremder sei in Deutschland als in Syrien. Er
antwortete: "Soziale Kommunikation." Die Distanz zwischen deutschen
Menschen sei größer als bei syrischen. Man braucht viel länger, um
jemanden einen Freund zu nennen in Deutschland, das geht in Syrien
schneller und einfacher.
Ich fragte ihn auch noch, ob
er den nahegelegenen Fußballclub Borussia Dortmund kenne. "Ja, den kenne
ich. In Syrien ist das Spiel BVB gegen Real Madrid übertragen worden." Außerdem seien bei einem "El Classico", also FC Barcelona gegen Real Madrid,
viele Menschen auf die Straße gegangen und hätten den Sieg über Real
gefeiert. Ich war sehr erstaunt, dass Europäische Spiele nach Syrien
übertragen werden.
Die restliche Zeit verbrachten wir
mit der Erstellung einer Zutatenliste für den nächsten Tag, an dem wir
kochen wollten und dem Einkaufen der entsprechenden Zutaten.
Alles in allem ist der Tag meiner Meinung nach sehr gelungen und hat
mir sehr viel Spaß gemacht. Ich hoffe, die nächsten Tage werden ähnlich
schön mit unseren neuen Bekannten.
18:48 Uhr
Neele R.